Nationale Dekade

für Alphabetisierung und Grundbildung

In Deutschland können rund 6,2 Millionen Erwachsene nur eingeschränkt oder überhaupt nicht lesen und schreiben. Sie gelten als gering literalisiert.

Mit der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ (AlphaDekade) setzen sich Bund, Länder und Partner verstärkt dafür ein, die Grundbildung in Deutschland zu verbessern.

Die Ausgangslage: Jeder achte Erwachsene in Deutschland kann nicht richtig lesen und schreiben

Rund 6,2 Millionen Menschen in Deutschland können zwar Buchstaben, Wörter und einzelne Sätze lesen und schreiben, haben jedoch Mühe, einen längeren zusammenhängenden Text zu verstehen. 62 Prozent der Betroffenen sind erwerbstätig, die Mehrheit sind Männer. Muttersprachler überwiegen mit einem Anteil von 53 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die "LEO-Studie 2018" der Universität Hamburg, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag gegeben hat.

Alphabetisierung und Grundbildung: Voraussetzung für Teilhabe und selbstbestimmtes Leben

Angesichts der voranschreitenden Entwicklungen in allen Lebensbereichen sind und bleiben Alphabetisierung und Grundbildung elementare Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und von Teilhabe geprägtes Leben. Ein immer schneller werdender Informationsfluss sowie kontinuierliche technische und strukturelle Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft stellen Menschen, die nur über gering ausgeprägte Schriftsprachkompetenzen verfügen, vor große Herausforderungen. Gleiches gilt auch für andere Grundkompetenzen, wie z. B. dem Umgang mit Zahlen oder digitaler Technik.

Ziel der Dekade: Funktionalen Analphabetismus verringern – Grundbildungsniveau erhöhen

Mit der AlphaDekade wollen Bund, Länder und Partner im Zeitraum von 2016 bis 2026 die Lese- und Schreibfähigkeiten Erwachsener in Deutschland deutlich verbessern. Zentraler Erfolgsfaktor: mehr Grundbildungsangebote und mehr Menschen, die diese Angebote wahrnehmen. Die Frage, wie Erwachsene mit niedrigen Schriftsprachkompetenzen erreicht und zum Lernen aktiviert werden können, ist die zentrale Herausforderung aller Maßnahmen. In einem jährlich fortzuschreibenden Arbeitsprogramm hat das Kuratorium der AlphaDekade anhand von fünf Handlungsfeldern festgelegt, wie diese Ziele erreicht werden sollten:

Das Ausmaß des funktionalen Analphabetismus ist den meisten Menschen in Deutschland nicht bekannt. Betroffene und ihr soziales Umfeld wissen meist nur wenig über Hilfsangebote und Lernmöglichkeiten. Durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wollen die Partner der Dekade dazu beitragen, dass die Bevölkerung über die hohe Anzahl funktionaler Analphabeten informiert ist und die Notwenigkeit von Alphabetisierung und Grundbildung erkennt. Vorurteile sollen abgebaut, Tabus aufgebrochen und das Lerninteresse Betroffener gestärkt werden. Verstärkte Werbemaßnahmen sollen dazu beitragen, dass Lern- und Unterstützungsangebote bekannter werden.

Um wirkungsvoller gegen funktionalen Analphabetismus vorzugehen, müssen Ursachen besser erforscht werden. Mithilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse sollen auch Lernangebote passgenauer zugeschnitten werden, damit Betroffene sie häufiger wahrnehmen.

Um die Lernmotivation von funktionalen Analphabeten zu erhöhen, müssen sich die Lernangebote an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Lernenden zu orientieren. Lerninhalte müssen alltags-und praxisbezogen (z. B. Arbeits- und Lebenswelt, Finanzen, Freizeit, Beziehungen, Gesundheit) gestaltet sein und die große Unterschiedlichkeit der Teilnehmenden berücksichtigen.

Erwachsene mit Alphabetisierungs- und Grundbildungsbedarf haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Steht für den einen die Bewältigung des Alltags im Vordergrund, benötigt der andere Unterstützung bei schriftsprachlichen Anforderungen im Job. Die individuellen Bedarfe sind eine große Herausforderung für das Lehrpersonal. Daher muss dies sowohl fachlich als auch didaktisch-methodisch gut ausgebildet sein. Hier gibt es einen hohen Qualifizierungsbedarf bei Kursleitenden in der Grundbildung ebenso wie bei Lehrkräften an Schulen sowie in der Jugend- und Erwachsenenbildung.

Seit 2012 sorgen Bund, Länder und Dekadepartner dafür, dass Angebote für Alphabetisierung und Grundbildung fester Bestandteil im Weiterbildungssystem sind. In Zukunft sollen sie auch mit bereits vorhandenen Weiterbildungsangeboten, zum Beispiel im beruflichen Kontext, verknüpft werden. Mitarbeitende in öffentlichen Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen, sollen darüber hinaus sensibilisiert werden, Menschen mit Alphabetisierungsbedarf zu erkennen und zur Wahrnehmung von Angeboten zu motivieren.

10-Punkte-Programm

der Länder für die Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung

Die Länder streben an, sowohl die im Rahmen der Nationalen Strategie mit erheblichen ESF- und eigenen Mitteln eingeführten Förderbereiche als auch die von den Ländern geförderten und getragenen Regelstrukturen für die Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener bis 2026 zu sichern und gegebenenfalls bedarfsgerecht auszubauen.

Die Länder prüfen den Aufbau neuer und die Zusammenarbeit mit bestehenden regionalen Netzwerken der Alphabetisierung und Grundbildung. Möglichkeiten zur verstärkten und gezielten Vernetzung stellen etwa Beratungsgremien auf Landesebene, die Organisation Runder Tische oder die Unterstützung lokaler Alphabündnisse dar. Ziel ist es, die Akteure aus Gesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu sensibilisieren sowie eine langfristige Netzwerkstruktur zur Verbesserung der Grundbildung sicherzustellen.

Die Länder unterstützen weiterhin Maßnahmen, die vor allem der Gewinnung und Vermittlung von Lernern für Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote dienen. Dazu gehören etwa Weiterbildungsberatung, Entwicklung geeigneter neuer Lernangebote und Lernorte sowie die Information von Schlüsselpersonen und Ansprechpartnern.

Die Länder benennen auch künftig Fach- und Koordinationsstellen und unterstützen ihren Austausch sowie ihre Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle der Nationalen Dekade. Zu diesem Zweck finden gemeinsame Austausch- und Arbeitstreffen statt.

Die Länder unterstützen den verstärkten Austausch unterschiedlicher Erfahrungen und Good-Practice-Beispiele sowohl länderintern als auch länderübergreifend. Der Austausch kann unter anderem über die Fach- und Koordinationsstellen, regionale Grundbildungszentren und gemeinsame Gremien in der Kultusministerkonferenz erfolgen.

Die Länder prüfen die hinreichende Berücksichtigung der Alphabetisierung und Grundbildung in den jeweiligen Curricula der Lehramtsstudiengänge, in der zweiten Phase der Lehrerausbildung sowie in der Lehrerfort- und Weiterbildung. Im Mittelpunkt soll die systematische Prävention stehen.

Qualifiziertes Lehrpersonal ist ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg der Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung. Die Länder streben an, in ihrem Zuständigkeitsbereich bestehende Qualifizierungsangebote zu stärken und unter Einbezug neuer Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis, die Entwicklung und Umsetzung von entsprechenden Konzepten zu ermöglichen.

Die Länder prüfen, ob der Aufbau gemeinsamer und didaktisch abgestimmter Lernangebote in der Alphabetisierung und Grundbildung für Lernende in der Erst- und Zweitsprache sinnvoll und möglich ist.

Die Länder erklären ihre Bereitschaft, gemeinsam mit dem Bund und weiteren Paktpartnern aktiv mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dem funktionalen Analphabetismus zu begegnen. Ziel ist, die Sensibilität für den funktionalen Analphabetismus in allen Bereichen der Gesellschaft und der Arbeitswelt zu stärken.

Die Länder werden regelmäßig, gemäß Beschluss der 355. KMK am 06.10.2016, über ihre im Rahmen der Nationalen Dekade ergriffenen Maßnahmen berichten. Sie schließen damit an die in der Nationalen Strategie erprobte Arbeitsweise an. Die Länder überprüfen das 10-Punkte-Programm insbesondere im Hinblick auf Zielsetzung, Forschungsstand und Praxiserfahrung. Bei Bedarf wird es geändert und ergänzt